Kerstin K. berät eine Lehrende, die sich einen anderen Umgang mit ihren Studierenden wünscht. Im “Digging Deeper” gibt ihre Kollegin Franka F. Einblick in ein Lehr-Lern-Konzept im Fachbereich Soziale Arbeit, das auf dem Prinzip Students as Partners (SaP) basiert. Kerstin K. war begeistert von dem Vorgehen und musste an ihr Beratungsgespräch mit der Lehrenden ihrer Hochschule denken, die über die Entfremdung zwischen sich und den Studierenden klagte und sich mehr Augenhöhe wünschte. Da sich Kerstin K. mit dem Ansatz SaP selbst noch nicht so sicher fühlt und sie sich eher als Novizin in der Beratung sieht, geht sie mit ihren Fragen in den “Ideen und Entwicklungsraum” und holt sich kollegialen Rat. Drei Monate später trifft sie Franka F. zufällig im digitalen “Kaffeeplausch“ und erzählt ihr davon, dass sie – angestoßen durch das “Digging Deeper” – mit einer Lehrenden in der Informatik ein SoTL-Projekt zu SaP durchführt. Ein halbes Jahr später teilen Franka F. und Kerstin K. sowie die beiden Lehrenden ihre Erfahrungen beim University Future Festival.
So oder so ähnlich kann Kommunikation in Hochschulverbünden laufen. Klar, dass hierbei Tools zur asynchronen Kommunikation hilfreich sind. So auch im Projekt “Digitalisierung in Disziplinen partizipativ umsetzen: Competencies connected (D2C2)”, das von der Stiftung für Innovation in der Hochschullehre bis Dezember 2025 gefördert wird. D2C2 ist ein (fast) sachsenweites Projekt mit ungefähr vierzig studentischen und wissenschaftlichen Beschäftigten und verwendet ebenfalls Tools zur asynchronen Kommunikation. Und ja, auch in diesem Verbundprojekt gibt es regelmäßige Treffen mit möglichst allen Kolleg:innen, sogenannte “Verbundtreffen”, die halbjährlich in Präsenz und etwa alle sechs Wochen online stattfinden.
In der kleinen Anekdote zum Einstieg wurden drei Kollaborationsformate unseres Verbundprojekts vorgestellt, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Fast zwei Jahre nach Einführung gehören sie zum Alltag im Projekt D2C2, wenngleich die Teilnahme fakultativ und nach Bedarf und Zeit erfolgt. In diesem Blogartikel möchten wir einen Überblick über drei erprobte Formate geben. Welche Konzepte stecken hinter Digging Deeper, Ideen- & Entwicklungsraum sowie Kaffeeplausch und wie nutzen wir diese in D2C2?
Digging Deeper – die projektinterne Weiterbildungsreihe
Das Problem
Im Projekt D2C2 arbeiten wissenschaftliche und studentische Kolleg:innen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammen. Unsere interne Verbundbefragung ergab, dass für 52,2 % der Befragten das Verbundprojekt der berufliche Einstieg in die Hochschuldidaktik war. Rund 17,4 % arbeiteten zum ersten Mal an einer Hochschule und 43,5 % in einem Verbundprojekt (N=23 für alle Prozentangaben). In einer ersten Projektphase sollten Erhebungen zum Status Quo z.B. in unseren Schwerpunktfächern durchgeführt werden, was für einige Kolleg:innen Neuland darstellte. Darüber hinaus sieht die Projektstruktur vor, dass Ergebnisse, die in einigen der Arbeitsgruppen erarbeitet wurden, anderen Projektteilen zur Verfügung gestellt werden.
Die Lösung
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, schlugen wir als Projektkoordination nach Gesprächen mit einigen Verbundkolleg:innen dem Verbund ein projektinternes Weiterbildungsformat mit dem Titel „Digging Deeper“ vor. Das Format dient dazu, bestehende Kompetenzen und Erfahrungen einzelner Kolleg:innen für andere im Verbund nutzbar zu machen. Damit können nicht nur projektbezogene Aufgaben besser umgesetzt werden, sondern auch im Projekt erarbeitete Wissensdomänen transferiert und diskutiert werden. Das Format zielt also darauf ab, die Primäraufgaben (Busse, 2024) im Projekt noch besser umsetzen zu können. Mit Primäraufgabe ist in diesem Fall ist die Umsetzung der Projektziele gemeint.
Weitere Details
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- 90-minütiges digitales Format in gemeinsamem Videokonferenzraum
- projektinterne Organisation, zu Beginn durch Projektkoordination umgesetzt
- Sammlung thematischer Bedarfe im Verbund, Setzung einiger Themen mit Blick auf die Projektinhalte und Projektphasen
- Terminkoordination zu Beginn durch die Projektkoordination, derzeit durch Mitarbeitende im Verbund
- Rhythmus: zu Beginn alle vier Wochen, dann alle sechs Wochen, später nach Bedarf, also wenn Inhalte dringend nachgefragt werden bzw. für das Projekt relevantes (Erfahrungs-)Wissen erarbeitet wurde und dies geteilt werden muss bzw. dazu Diskussion Not tut
- alle haben nach Möglichkeit die Kamera an
- Ablauf:
- Anmoderation und Check-in (10 Min)
- Inputphase (45-60 Min)
- meist Gruppenarbeitsphase (15-30 Min)
- gemeinsamer Abschluss (5 Min)
- Möglichkeit zur Teilnahme von Lehrenden oder anderer Gäste besteht
Die Folgen
Infolge der internen Weiterbildung können die Verbundkolleg:innen das transferierte Wissen nutzen, um es in ihrem Tätigkeitsbereich anzuwenden. Gleichermaßen werden die Inputgeber:innen in ihrer Rolle als Expert:innen wahrgenommen und nicht selten nach dem Digging Deeper um Rat gebeten. Dadurch wird uns nach und nach deutlich, wie vielfältig und reich der Verbund an vorhandenem (Erfahrungs-)Wissen ist.
In unserer jährlichen Verbundbefragung im September 2023 haben wir die Kolleg:innen gefragt, welchen Mehrwert das Digging Deeper für sie bietet. Die Antworten von vierzehn Personen konnten wir in folgenden Kategorien clustern:
genannte Mehrwerte (N=14)
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Anzahl der Antworten
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Vertiefung von Inhalten
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11
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Themenfelder der Kolleg:innen kennenlernen
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5
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Neues Lernen
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4
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Wissensaustausch
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4
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Methoden ausprobieren
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1
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Tabelle 1: Häufigkeitstabelle zum Mehrwert des Formats Digging Deeper (D2C2) N=14 Mehrfachnennung möglich
An erster Stelle benennen die Kolleg:innen hier das Vertiefen von Inhalten als Mehrwert des Formates “Digging Deeper” – der Name ist Programm.
Ideen- & Entwicklungsraum – die verbundweite kollegiale Beratung
Das Problem
Eine der verschiedenen Phasen im Projekt ist die Entwicklungsphase. Hier werden zusammen mit Lehrenden und Studierenden die Entwicklung und ggf. Einführung neuer Lehr-Lern-Szenarien in den Fächern vorangetrieben. Vor allem Kolleg:innen, die allein an ihren Standorten arbeiten oder weniger Erfahrung im Hochschulbereich bzw. der Hochschuldidaktik haben, stellt diese Aufgabe vor eine größere Herausforderung. Auch weil der Ideenaustausch mit Projektkolleg:innen am Standort fehlt. Wir hatten den Eindruck, dass die Entwicklungsphase im Projekt auch deshalb eher schleppend anlief.
Die Lösung
Daher richteten wir den Ideen- und Entwicklungsraum ein – ein monatlicher digitaler Treffpunkt, in dem Unfertiges weitergedacht werden kann oder völlig neue Ideen für Herausforderungen gefunden werden. Gefolgt wird dem Prinzip der kollegialen Beratung, wobei eine Person – bisher die Projektkoordination – die Moderation übernimmt.
Weitere Details
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- 90-minütiges digitales Format im gemeinsamen Videokonferenzraum
- Termine werden durch Projektkoordination terminiert, Rhythmus: alle vier Wochen
- Themen werden ohne vorherige Planung eingebracht, zu Beginn wird (sobald neue Personen dabei sind) der Ablauf vorgestellt
- alle haben nach Möglichkeit die Kamera an
- Ablauf:
- gemeinsamer Einstieg (5-10 Min)
- Fallschilderungen und -auswahl (15 Min)
- detaillierte Fallschilderung (15 Min)
- Nachfragen (10 Min),
- Lösungen (30-40 Min)
- ggf. Sharing (5 Min)
- gemeinsamer Abschluss (5 Min)
→ Ggf. wird bei der Fallauswahl vereinbart, dass zwei Fälle besprochen werden, dann verkürzen sich die Zeiten entsprechend.
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- Variationen: Der Ablauf kann auch variieren und es können z.B. Methoden der Co-Creation zum Einsatz kommen oder die Beratungslösungen werden mit KI generierten Lösungen verglichen
Die Folgen
Die Kolleg:innen, die den Ideen- und Entwicklungsraum besuchten, berichteten danach vom (Wieder-)Erlangen ihrer Handlungsfähigkeit, von mehr Klarheit und Struktur in ihrem weiteren Vorgehen sowie mehr Motivation, als schwierig erlebte Themen anzugehen. Darüber hinaus ist unser Eindruck, dass das Format die Professionalisierung im Verbund vorantreibt. Dies zeigte sich z.B. darin, dass Rollenunklarheiten bei den Kolleg:innen im Verlauf der Zeit abnahmen. Auf die Frage, welchen Mehrwert der Ideen- und Entwicklungsraum für sie hat, antworteten im Rahmen der Verbundbefragung neun Kolleg:innen im September 2023 folgendermaßen:
genannte Mehrwerte (N=9)
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Anzahl der Antworten
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Kollegialer Austausch und Beratung
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6
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eigene Ideen einbringen
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4
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Gruppenzusammenhalt stärken
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3
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Methoden und Ansätze kennenlernen
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3
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kreatives Arbeiten
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2
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Themenfelder der Kolleg:innen kennenlernen
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1
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entweder am Kaffeeplausch oder Ideenraum teilnehmen
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1
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Tabelle 2: Häufigkeitstabelle zum Mehrwert des Formats Ideen- & Entwicklungsraum (D2C2) N=9, Mehrfachnennung möglich
Sich gegenseitig beraten und dabei auch eigene Ideen einbringen, sich somit handlungsfähig fühlen, steht bei der Teilnahme im Vordergrund. Auch der Gruppenzusammenhalt wird aus Sicht von drei Personen gestärkt und eine Person äußert, dass sie die Themenfelder der Kolleg:innen besser kennenlernen kann. Hier zeigt sich für uns der Vorteil des AG-übergreifenden Austauschs, den wir mit diesem Format stärken wollten. Eine Person beschreibt, dass sie entweder am Kaffeeplausch oder am Ideen- und Entwicklungsraum teilnehme, was vermuten lässt, dass ihre Arbeitszeit nicht ausreicht, um an allen Austauschformaten teilzunehmen.